Mein besonderer Schwerpunkt und mein Interesse liegt im Dialog, an den Schnittstellen und im Transfer zwischen Theorie und Praxis.

 

Publikation

Der große Anteil von Migrantinnen unter Frauenhausbewohnerinnen und das Forschungsdefizit in der feministischen Gewaltforschung zu „Migrantinnen und häusliche Gewalt" bilden den Ausgangspunkt für die vorliegende biographietheoretische Studie, die ich im Rahmen meiner Dissertation durchgeührt habe. Es kann hier herausgearbeitet werden, dass die Perspektiven gewaltbetroffener Migrantinnen auf erlebte häusliche Gewalt vielschichtig und komplex sind und mit der eindimensionalen Definition „Gewalt im Geschlechterverhältnis" nur unzureichend erfasst werden können. Unter Einbeziehung anschlussfähiger Forschungsperspektiven, z.B. der US-amerikanischen Gewaltforschung zu „Migrantinnen/ethnische Minderheiten" erweist sich eine intersektionelle Analyse von unterschiedlichen Macht- und Ungleichheitsstrukturen für eine differenzierende Gewaltforschung als fruchtbar.

 

Praxis

Das Interkulturelle Frauenhaus Berlin

Ich habe mit Kolleginnen 2000 den Trägerverein Interkulturelle Initiative e.V. gegründet und bin seitdem im Vorstand tätig. 2001 eröffnete der Verein Interkulturelle Initiative e.V. das „Interkulturelle Frauenhaus" in Berlin, das sein Angebot mit seinem konzeptionellen Schwerpunkt an gewaltbetroffene Migrantinnen und ihre Kinder richtet. Das Interkulturelle Frauenhaus hat insgesamt 50 Plätze für Frauen und Kinder anzubieten und ist eines der 6 Frauenhäuser, die von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen in Berlin finanziert werden. Das Projekt besteht aus drei Teilen. Der öffentliche Zugang zum Projekt ist über eine Beratungsstelle gewährleistet. Die Beratungsstelle wird von gewaltbetroffenen Frauen, Angehörigen und Multiplikator_innen genutzt. Weiterhin gibt es ein kleines Frauenhaus mit 25 Plätzen für akute Bedrohungs- und Krisensituationen. Hier können Frauen und Kinder rund um die Uhr und in der akuten Krise Zuflucht finden. Von besonderer Bedeutung für die Lebenssituation und die Perspektiven gewaltbetroffener Migrantinnen ist das dritte Teilprojekt des Interkulturellen Frauenhauses, ein Wohnprojekt mit 25 Plätzen. Hier können Frauen und ihre Kinder nach der Vorklärung der rechtlichen und sozialen Situation in eine eigene, komplett ausgestattete Wohnung innerhalb des Projektes umziehen. Sie haben hier die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre in einer eigenen Wohnung und gleichzeitig in der Gemeinschaft mit anderen Frauen und Kindern zu leben. Es gibt hier für sie ein Beratungsangebot und ein pädagogisches Betreuungs- und Unterstützungsangebot für Mädchen und Jungen. Dieses Teilprojekt ist besonders wichtig, weil viele gewaltbetroffene Migrantinnen längere Zeit benötigen, bis ihre rechtliche und ökonomische Situation und ihre weitere Perspektive geklärt ist.

Das Interkulturelle Frauenhaus hat 2012 insgesamt 105 Frauen und 83 Kinder aufgenommen. Ca. 95% der Frauen und Kinder hatten einen Migrationshintergrund. Das entspricht den durchschnittlichen Zahlen der letzten Jahre. Aufgrund der interkulturellen konzeptionellen Ausrichtung melden sich viele Frauen mit geringen oder keinen Deutschkenntnissen. Diese Gruppe von Frauen benötigt intensivere Begleitung und Unterstützung der Mitarbeiterinnen. Das Team des Interkulturellen Frauenhauses besteht aus mehrsprachigen Mitarbeiterinnen mit Migrationshintergrund. Wenn sich das Angebot auch zunächst vorwiegend an die gewaltbetroffenen Frauen richtet, ist ein Frauenhaus, wie aus den Zahlen deutlich wird, auch immer ein Kinderhaus.

Qualitätsentwicklung im Interkulturellen Frauenhaus

Um die konzeptionelle Ausrichtung des Interkulturellen Frauenhauses zu evaluieren und weiterzuentwickeln wurde im Rahmen des entimon-Programms des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von der Interkulturellen Initiative e.V. von 2004-2006 das Projekt „Qualität in der Arbeit mit von Gewalt betroffenen Migrantinnen", durchgeführt wurde. Im Rahmen des Projekts zur Entwicklung von Qualitätskriterien für die Arbeit mit gewaltbetroffenen Migrantinnen und ihren Kindern wurde ein Handbuch erarbeitet.

Interkulturelle Initiative e.V. (Hg.) (2006): Qualität in der Arbeit mit von Gewalt betroffenen Migrantinnen. Autorin: Castro Varela, Maria do Mar.: Ein Projekt der Interkulturellen Initiative e.V., Berlin „Qualitätsmanagement in der Arbeit mit von Gewalt betroffenen Migrantinnen" im Rahmen des entimon-Programms. Berlin. Download unter: www.interkulturellesfrauenhaus.de Empowerment-Projekt

 

Empowermentprojekt

Die Interkulturelle Initiative hat seit Juni 2007 aus den Mitteln einer Erbschaft ein neues Projekt „Empowerment gegen Gewalt" konzipiert und führt dies zurzeit durch. Als ein übergeordneten Ergebnis des Entimon-Projekts läst sich feststellen, dass der Bewältigungsprozess bei häuslicher Gewalt und die weitere Lebenssituation entscheidend dadurch beeinflusst wird, inwieweit Frauen und Kinder Möglichkeiten finden, sich mit ihren Erfahrungen aus ihren jeweiligen Perspektiven auseinanderzusetzen und ihre gemeinsame Beziehung neu zu gestalten. Es gibt bei den Müttern unter den Bewohnerinnen einen großen Bedarf nach Informationen, Austausch und Beratung zu Themenkomplexen, wie Erziehungsfragen, Unterstützung im Umgang mit der Beziehungsdynamik zwischen Müttern und Kindern, zur Sorgerechtsproblematik, zum Verlust des sozialen Netzes und zur Verarbeitung der Gewalterfahrung bei den Kindern, Umgang mit Institutionen und Hilfesystem wie z.B. Schule, Kita usw.

Lehmann, Nadja (2007): Empowerment gegen häusliche Gewalt. Zur Wissenssicherung und konzeptionellen Weiterentwicklung von Methoden für psychosoziale Einzel- und Gruppenangebote für Migrantinnen und ihre Kinder. Unveröffentl. Konzept. Berlin. Praxis-Theorie-Dialog

 

Praxis-Theorie-Dialog:

„Eltern forschen" im Sozialraum. Das europäische Projekt „Elternforschungsgruppen" in Berlin

Das Projekt „Elternforschungsgruppen" wurde bereits seit 2005 in Frankreich unter dem Namen „UPP-Université Populaire de Parents" (dt. „Elternvolksshochschulen") erfolgreich umgesetzt und seit 2008 zeitgleich in Belgien und Berlin initiiert und gestartet wurde. In Berlin gab es vier Elternforschungsgruppen, die in unterschiedlichen Sozialräumen verortet waren. Die EFG in Berlin sind auf Initiative einer Kooperation der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) e.V. und des Jugendamtes Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin entstanden, die auch die Koordination und Umsetzung des Gesamtprojektes verantwortlich getragen haben. Die einzelnen EFG waren jedoch an einen Träger im jeweiligen Sozialraum angebunden. Die Bereitschaft aller Beteiligten zur Vernetzung und Kooperation mit den europäischen Partnern in Frankreich und Belgien war eine Voraussetzung für die Gründung der jeweiligen Elternforschungsgruppen. Das gesamte Projekt „Elternforschungsgruppen" war ein Kooperationsprojekt mit der Alice-Salomon-Hochschule für Soziale Arbeit (ASH) in Berlin. Seit 2009 war ich als wissenschaftliche Beratung der EFG „INA.KINDER.GARTEN" und seit 2010 auch der EFGs „Wrangelkiez/Fichtelgebirge-Grundschule" und „Arabische Eltern-Union e.V", verantwortlich für die Konzipierung und Koordinierung der wissenschaftlichen Vernetzung mit der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin und der Selbstevaluation des Projekts.

In sogenannten Elternforschungsgruppen (EFG) forschen Eltern mit Begleitung einer professionellen Moderation und mit Beratung durch eine WissenschaftlerIn zu einem gemeinsamen Thema, das im Zusammenhang mit ihrem Elternsein für sie von Bedeutung ist und gleichzeitig eine gesellschaftspolitische Relevanz hat. Den Koordinatorinnen in Berlin ging es bei der Initiierung der EFG vor allem darum, die Praxiskompetenz von engagierten Eltern in den Forschungsprozess zu integrieren. Die dabei erarbeiteten Ergebnisse sollten auch für andere Eltern nützlich und verständlich sein und könnten den Zugang zu anderen Eltern im Kiez erleichtern, weil sie von Eltern selbst kommen und nicht von pädagogischen Fachkräften in Institutionen. Damit sollten auch alternative Lernprozesse im Sozialraum initiiert werden.

Drei der EFG wurden im Stadtteil Kreuzberg und eine im Stadtteil Schöneberg (Schöneberger Norden) gegründet. Alle EFG befinden sich in Regionen, in denen ein Quartiersmanagement eingerichtet wurde, weil es sich um Stadtteile handelt, in denen soziale Probleme und Ausschließungsprozesse von Menschen in der Stadtentwicklung drohen. Es zeigt sich, dass die Initiierung und Durchführung von „Elternforschungsgruppen" ein ungewöhnlicher Ansatz von politischer Elternbildungsarbeit ist, der die Expertise von Eltern zum Ausgangspunkt macht und Eltern an öffentlichen Diskursen zu Lebensrealitäten von Eltern beteiligt.

Die Berliner Elternforschungsgruppen werden zahlenmäßig wesentlich von Eltern mit Migrationshintergrund getragen. Bei der Thematisierung der Perspektiven von Eltern auf Schule als Institution werden spezifische Erfahrungen von Familien mit Migrationshintergrund mit Schulen herausgearbeitet. Deutlich wird, dass die „interkulturelle Öffnung" von Schulen, für Familien mit Migrationshintergrund im Erleben vieler Eltern nur sehr unzureichend stattfindet. Schulen als Institutionen sind gut beraten, wenn sie sich erfahren, wie sie von unterschiedlichen Gruppen von Eltern und Kindern wahrgenommen werden Dafür können Elternforschungsgruppen gute Voraussetzungen schaffen und wichtige Informationen zur Verfügung stellen.

Elternforschungsgruppen können als eine Form der Praxisforschung eine besondere Rolle für Akteure im sozialen Raum bekommen. Grundlegend wird hier die Idee aufgegriffen, dass Menschen auch ohne akademische und wissenschaftliche Ausbildung wissenschaftliche Herangehensweisen und Methoden für sich sinnvoll nutzen können. Hier gibt es deutliche Bezüge zur Aktionsforschung, die unter verschiedenen Namen, wie zum Beispiel Handlungsforschung, aktivierende Sozialforschung, eingreifende Praxisforschung seit den 60er Jahre diskutiert und umgesetzt wurde. In Deutschland gibt es mittlerweile eine Aktualisierung der Prämissen von Aktionsforschung in der deutschsprachigen Bildungsforschung, in der Praxisforschung, in der Evaluationsforschung und in partizipativen Forschungsansätzen.

 

Vorträge für die Praxis

Dokumentierte Vorträge (Auswahl) im Rahmen von Fort- und Weiterbildung für MultiplikatorInnen

"Beratung von Migrantinnen im Spannungsfeld gesellschaftlicher Diskurse und spezifischer Lebenslagen" am 28.06.08 im Rahmen d. Workshops „Beratung in schwierigen Lebenslagen" auf der Fachtagung „Wir - Frauen in Deutschland" in Bensberg durchgeführt von der Bundeszentrale für politische Bildung zusammen mit dem Deutschen Frauenring e.V., der EAF I Europäische Akademien für Frauen in Politik und Wirtschaft e.V., der Frauenbrücke Ost-West e.V. und der Muslimischen Akademie in Deutschland.http://www.bpb.de/veranstaltungen/3PCABN,0,Wir_Frauen_in_Deutschland.htmlDownload >>

 

"Sind Migrantinnen in besonderer Weise von (häuslicher) Gewalt betroffen?" am 24.04.08 auf der Fachtagung „Häusliche Gewalt im Fokus der Integrationsproblematik" in Dortmund veranstaltet durch das Frauenbüro, des Dietrich-Keuning-Hauses u. Verein „Frauen helfen Frauen e.V. Dortmund.http://dev.frauenbuero.dortmund.de/frauenbuero/project/assets/template1.jsp?content=stv&smi=8.3&tid=85709Download >>

 

 

 

 

 

Copyright Dr. Nadja Lehmann 2018 | Impressum | Datenschutz